Andy

Andy hatte zwei Kumpels, mit denen er meistens rumhing. Einer von ihnen war ein Mann Ende zwanzig, der sie mit Zigaretten, Bier und Marihuana versorgte. Andy kam mit Brandwunden am Hals nach Hause und behauptete, sich beim Skateboardfahren verletzt zu haben. Ich sagte Andy immer wieder, dass ich diese Jungs nicht mochte. Aber er hielt an ihnen fest, egal, wie schlecht sie ihn behandelten.
Der ältere Mann hieß Husky. Später im Gericht sah ich ihn das erste Mal aus nächster Nähe. Er hatte zwei unterschiedliche Augenfarben. Das eine war blau, das andere braun. Er stand vor dem Verhandlungsraum mit einem Mädchen, das vielleicht vierzehn war. Sie trug bauchfrei und Hotpants und hatte eine schlimme Akne im Gesicht. Sie hatten was von Burger King dabei und aßen es halb auf dem Boden sitzend, im Gang des Gerichts. Husky trug einen schwarzen Ledermantel.
Vor Gericht sagte Husky, dass er in Andy einen Freund gesehen hätte. Dass er Andy zugehört hätte. Andy hätte verdammten Liebeskummer gehabt. Ein Mädchen namens Jojo, aus seinem Jahrgang. Das hätte seine mentale Verfassung noch mehr destabilisiert.
Pit war vierzehn wie Andy. Er ist der Sohn einer Freundin meiner Frau. Als Pit geboren wurde, haben wir ihn am Kindbett besucht. Susann und Marco wohnten gleich die Straße runter. Susann sagte, wir sollen nicht erschrecken. Hasenscharten könne man nähen.
Im Säuglingsbett sahen meine Frau und ich, dass Pit am linken Fuß nur vier Zehen hatte.
Meine Frau war völlig fertig wegen diesem Anblick.
Sie war hochschwanger.
Eine Woche später kam Andy zur Welt.

Husky arbeitet als Müllmann. Aber gerade ist er arbeitslos.
Magic Mushrooms.
Pit und Husky sagen vor Gericht, Andy hätte sie besorgt. Übers Internet. Aus Holland.

Ich habe Andy in seinem Zimmer weinen sehen. Vielleicht ließ er absichtlich die Tür ein Stück offen.
Wir wissen, dass er in seinem Zimmer raucht.
Uns gefällt das nicht.
Aber wir nehmen es auch nicht so streng.
Wir rauchen alle.
Was ist?
Ach, nichts.
Wieso weinst du?
Ich wein doch gar nicht.
Stimmt was nicht?

Pits Akte. Die Richterin zieht die Augenbrauen hoch.
Mit zwölf im Wald. Anwohner haben angerufen. Pit läuft durch Vorgärten, springt über Zäune. Er trägt in einer Plastiktüte zwei tote Katzen mit sich herum.
Sie seien erstickt.
Pit sagt, er hätte sie am Straßenrand gefunden.
Im Blut finden sie 0,8-Promille Alkohol.
Keine Drogen.
Er ist minderjährig.
Der Polizei sagt Pit, er hätte sich immer eine Katze gewünscht.

Pit hat die vorderen Schneidezähne verloren. Die Implantate kriegt er in zwei Wochen. Vor Gericht stottert er. Seine Hände am Stuhl.

Andy ruft auf meinem Arbeitshandy an und weint.
Du bist der einzige, der mir geblieben ist.
Du wirst immer mein Sohn sein. Ich werde immer für dich da sein. Wir holen dich da raus.
Hier sind nur Asoziale, Papa. Vergewaltiger.

Husky sagt vor Gericht, Andy wäre schon im Park aggressiv und komisch gewesen. Er hätte Streit mit Pit angefangen.
Er hätte Streit mit einem Hundebesitzer angefangen.
Pit sagt dasselbe.
Andy sagt, Pit hätte ein Messer dabei gehabt.
Es sei Nacht geworden.
Husky und Pit hätten ihm zugehört und sie wären high gewesen.
Aber in der öffentlichen Toilette hätten sie ihn gepackt und die Hose runtergezogen.
Sie hätten gelacht dabei.
Husky sei homosexuell.
In Huskys Wohnung hätte er Husky davor schon ein paar Mal den Schwanz gelutscht.
Weil Husky ihn geohrfeigt hätte.
Er hatte Angst gehabt.
Husky und Pit schütteln den Kopf.
Husky und Pit hätten ihn, Andy, festgehalten und ins Gesicht geschlagen.
Pit schaut auf den Boden.
Die Magic Mushrooms wirken acht Stunden.

Andy sagt, er erkenne die Realität nicht mehr. Alles sei wie hinter einer dicken Glaswand.
Ist er überhaupt am Leben? Das frage er sich oft.
Alleinsein halte er nicht aus.
Husky und Pit hätten ihn festgehalten und in den Bauch geboxt. Zigaretten auf seiner Haut ausgedrückt.
Wo genau?, fragt die Richterin.
Arme und Beine. Füße. Bauch.
Der Arzt bestätigt es.

Husky und das Mädchen laufen die Straße entlang. Vor dem Gerichtsgebäude. Gegenüber vom Einkaufszentrum. Das Mädchen steht unsicher auf einem Skateboard, rollt. Sie halten Händchen. Husky raucht.

Mein Sohn wird zurück in die Psychiatrie gebracht.
Er wird mich von dort anrufen.
Er wird am Telefon weinen.

Pit hätte ihn festgehalten, und Husky hätte etwas in seinen After eingeführt.
Es hätte verdammt weh getan.
Ihm sei schlecht geworden.

Husky hätte in seiner Wohnung Vogelspinnen und ein Gecko in einem Paludarium.
Eine große Reichskriegsflagge in der Küche.
Der Staatsanwalt bestätigt es.

Husky und Pit hätten ihn, Andy, dazu gezwungen, in das Fenster zu steigen.
Husky und Pit schütteln den Kopf, die Arme verschränkt.
Es war Nacht.
Wussten Sie, dass ein Kind dort schläft?
Nein.
Was taten Sie, als Sie merkten, dass ein Kind dort schläft?